Wer heute nicht das Adjektiv “agil” irgendwo einem Substantiv voranstellt, gilt als möglicherweise Saurier oder Steinzeitmensch. In einigen Überschriften findet sich der Begriff “Agile Personalentwicklung”, doch bei näherer Betrachtung sucht man den Bezug in den detaillierten Ausführungen dann vergebens. Ich möchte den Versuch unternehmen, dieses Themenfeld ein wenig aufzuklären. Zunächst die gute Nachricht: Es gibt sie wirklich. Bei der Definition ist jedoch Vorsicht geboten.
Im People Development gilt zunächst das Mantra:
HR-Methoden und -Systeme
müssen im Einklang stehen!
Es hilft also keineswegs, etwa Kompetenzentwicklung oder auch die Entwicklung von Erfahrungswissen als PE-Methode einzusetzen, um agil zu werden. Auch der Einsatz von Learning Management Systemen erzeugt noch keine Agilität. Die Nutzung zentral gesteuerter HRIT-Systeme schon gar nicht. Hilft es dann vielleicht, neue Rollen zu installieren, beispielsweise den “Agile Coach”? Oder gar auf modern getrimmte Zielwertmethoden, wie OKR? Egal, welche Buzzwords uns einfallen, kein einiges kennzeichnet die agile Personalentwicklung alleine. Doch tatsächlich gibt es ein entscheidendes Kriterium.
Wenn “agil” für Beweglichkeit, Flexibilität und situationsgerechte Handlungskonsequenz steht – wenn veränderte Situationen schnell zum Vorteil der Organisation genutzt werden können, dann können wir uns von diesem Zielergebnis rückwärts tasten und im Sinne einer Prozess-Journey die Lösung erarbeiten. Zunehmend kommen Einflüsse und Veränderungsimpulse für die HR von aussen: Digitalisierung, Demografie, Internationalisierung, COVID, Brexit u.v.m.
Wir in der HR sind immer sofort betroffen, die Art und Weise unseres Handelns damit schnell wachsend zu einem wertvollen Unternehmens-Asset. Beispielsweise “Mitarbeitende finden und binden” funktioniert nicht in jeder Fachabteilung auf dieselbe Weise. In jedem Fall muss die beste Ansprache für das Ziel-Klientel gefunden werden, am besten noch auf Augenhöhe! Dies ist der erste Hinweis auf die benötigte Agilität in der HR. Die Ansprache muss vom Team ausgehen. Es kann nicht sein, dass wir – jedes Mal wenn eine Veränderung von aussen kommt – nach Seminaren rufen. Konsequent gedacht, fielen wir mit dieser Methode immer weiter hinter die Gegenwart zurück, denn es der Zeitverzug zwischen Ereignis und Seminar ist immer einer Zeit t, die sich aufaddiert. Wir müssen in die Lage kommen, sozusagen “just in time” lernen, entscheiden und handeln zu können.
Diese Beispiele machen deutlich, wohin die Reise geht. Die dezentrale Personalentwicklung ist der Schlüssel. Alle HR-Belange, die besser in Abteilungen und Team aufgehoben sind, sollen auch dorthin. Diese “Embedded HR” setzt voraus, dass der Handlungsraum zur Ermöglichung – der Ermöglichungsraum – durch die zentrale HR geschaffen werden muss.
Der Kern des Mehrwerts der agilen Personalentwicklung liegt in der Dezentralisierung!
Diese Voraussetzungen systematisch zu erzeugen, ist die derzeitige Hauptaufgabe der Personalentwicklung. Erfreulicherweise funktioniert die Implementierung in der Verbreitung viral, d.h. exponentiell im Schneeballsystem, denn wir arbeiten bei der Entwicklung aller Führungskräfte immer im “Top-Down-Modus”. Dies betrifft der Entwicklung zum Kompetenzmanager und Agile Coach ebenso wie die -vom ersten Tag an – konsequente Nutzung echter Workflow-Tools (nicht nur von Einzel-„Progrämmchen“), beispielsweise um digital gestützte, anlassbezogene, orts- und zeitunabhängige Mitarbeitergespräche führen zu können.
Oder auch, um selbstorganisiertes Lernen möglich zu machen und die zielgerichtete (!) Kommunikation zu fördern. An dieser Stelle werden von den Top-Führungskräften klare Entscheidungen erwartet. Coaching einkaufen macht vielleicht noch Spass, aber die Verantwortung für ein System zur Abbildung des Learning Experience Ecosystems (LXE) zu übernehmen erfordert echte Stärke und Teamgeist. Denn meistens haben sich im Laufe der Unternehmensjahre schon bestimmte Tools eingebürgert, die zwar oftmals bekanntermassen schlecht, aber a) noch nicht abgeschrieben sind oder b) an dem die Beschäftigten sich wie Ertrinkende am Rettungsboot festklammern. Hinzu kommt, dass klassische IT nicht immer unserer Freunde sind, denn dort hält man lieber an bestehenden Partnern fest, warnt eindringlich vor Schnittstellenproblemen und möchte lieber eine eigene Lösung vorschlagen.
In der agilen Personalentwicklung brauchen also auch IT-Botschafter und -Diplomaten, um neue, dezentrale Workflows umsetzen zu können. Die meisten Unternehmen wissen im Grunde ganz genau, was benötigt wird.
Es wurde bislang meistens noch nicht einmal ein Zielszenario entwickelt. Das wäre vor dem Hintergrund der Flächenakzeptanz allerdings ein sehr wichtiger Schritt.