Agilität, wohin man hört und liest. Eine Vielzahl von Methoden und Regelwerken bestimmen das schön gezeichnete Bild. Doch insgeheim stellt sich ab und zu die Frage, ob das Buzzword “Agilität” wirklich immer erfolgversprechend ist. “Wir sind eben agil” wird einfach zu oft als Ausrede genutzt, um Terminzusagen nicht einzuhalten oder auch um getroffene Vereinbarungen zu verwässern. Damit soll so etwas gesagt werden wie: “Sei doch nicht immer so unflexibel!” Das passiert meistens dann, wenn sich die Organisation nicht konsequent auf ein agiles Modell – und das auf allen Ebenen- geeinigt hat. Nur wenn die Rituale zur Einhaltung eines agilen Frameworks nachhaltig forciert werden, kann es funktionieren. Aber dann handelt es sich schon um ein Prinzip oder gar einen Unternehmenswert, wie etwa: “Wir alle handeln konsequent nach dem Agilen Manifest”.
Idealerweise wird das Agile Manifest in ein Werte- und Kompetenzmodell eingebettet. Das macht die Sache in der Praxis deshalb einfacher, weil nun:
- die nachhaltige Personalentwicklung eingebaut ist,
- die Einhaltung von Unternehmenswerten messbar zu entwickeln ist,
- die Umsetzung der agilen Methoden in der Kompetenzentwicklung verankert ist
In diesem Zusammenhang wird klar, welche grosse Rolle der Aspekt der Personalentwicklung mit der Nutzung eines agilen Frameworks spielt. Denn wenn (siehe Ausgangspunkt) eine Kompetenzausprägung des Teams beispielsweise mit “konsequentes Handeln” definiert ist, dann kann Agilität produktiv und zielgerichtet genutzt werden. Diese Kompetenz kann im Rahmen der Teamentwicklung entwickelt werden. Über den agilen Modellen stehen die konsequente Wachstumsstrategie und das zentrale Wertemodell des Unternehmens. Es sind diese wenigen Bausteine, aus denen sich der nachhaltige Unternehmenserfolg zusammensetzt, oder?
Richtig: eine Kleinigkeit gibt es da noch: Es geht um die Zusammensetzung der Teams. Wer verstanden hat, dass Werte die Brücke über fehlende Erfahrungen bilden, der ahnt, dass die Erfahrung für Erfahrungen ja irgendwoher kommen muss. Die kann ausschliesslich von gereiften Menschen kommen. Solche, die schon „so ein manches Pferd vor der Apotheke“ gesehen haben. Solche, die Dekaden von Erfahrungswissen und Bildung mitbringen. Wenn diese Personen in den Teams fehlen, steigt das Risiko des “friendly fire”, die ungewollte Behinderung der Unternehmensstrategie.
Dabei wird – wie oben erwähnt – die Agilität zur Ideologie und geht damit zu Lasten der Strategie. Agilität ist auch kein Privileg der Jugend. Wer will schon gerne mit Leuten im Alter der eigenen Eltern zusammenarbeiten? Doch die Personalentscheidungen werden zunehmend durch die Gen Y gefällt. Doch wie wäre es, mit der Elterngeneration ohne die emotionalen Bezüge auf professioneller Ebene und auf ehrlicher Augenhöhe produktiv zu sein? Wäre das nicht ein neuer Einblick in eine bisher unbekannte Welt? Das Prinzip der Agilität wurde von der Babyboomer-Generation (Jahrgang 60 -65) entwickelt und in die Praxis getrieben – speziell in der Softwarebranche. Wenn Unternehmen heute in ihren Stellenanzeigen Bilder von hippen Teens posten, müssen sie ihre eigene Grundsätze der Diversität, der Interdisziplinarität, der Gerechtigkeit etc. hinterfragen.
Wie soll beispielsweise das Prinzip des “Reverse Mentoring” dann funktionieren? Andererseits schränkt diese Haltung die erfolgreiche Suche nach Fachkräften enorm ein. Denn wer konsequent nach Erfahrungswissen Ausschau hält und wer eine nachhaltige Unternehmenskultur im Sinne von Werte- und Kompetenzentwicklung lebt, geht sorgenfreier durch die Krisen.
Es bringt keine Vorteile, wenn eine Methode, beispielsweise ein Agiles Manifest oder Kompetenzentwicklung eingeführt werden, aber die IT für den täglichen Workflow fehlt. Denn Methoden und Systeme sollten immer im Einklang wirken. Im Kern aller Software steht das Wissensmanagement – der „digitalen Krücke“ zu unserer fehlenden Fähigkeit zur Schwarmintelligenz. Der Einsatz eines Knowledge Management-Systems ersetzt nicht das Erfahrungswissen, aber nicht jeder Fehler muss X Mal gemacht werden! Ein solches System dient dem Innovationsmanagement auf Basis vorhandener Erfahrungen. Gerade im demografischen Übergang der Generationen brauchen Unternehmen einen solchen, lebendigen Speicher. Generationen kommen, werden älter und gehen. Unternehmen bleiben. Und die Erfahrung ist nun mal der grösste Wert eines Unternehmens.